Die Begeisterung für Typografie, Farben und Formen begleitet Christian Büning schon sein ganzes Leben lang. Sie war der Grund dafür, warum er sich für ein Kunst- und Design-Studium entschied und sich anschließend als freiberuflicher Grafikdesigner selbständig machte. Seit 17 Jahren faszinieren ihn die individuellen Sichtweisen der Menschen auf die wichtigsten Elemente des Designs. Sein aktuelles Buch Zirkeltraining für die Augen besteht aus einer Reihe von Übungen, die das Gehirn dazu anregen, Farben, Formen und Schriften auf neue Weise zu sehen – vielleicht sogar zum ersten Mal.
In einer neuen Folge von Extra Condensed hat Toby Martin, CEO von Extensis, Christian in seinem Büro in Oberwesel angerufen, um mit ihm einige der Übungen auszuprobieren und über seine Arbeit zu sprechen. Zusammen sind sie verschiedenen Fragen zur Entwicklung des Designs auf den Grund gegangen.
Die Entstehung von Zirkeltraining für die Augen
Die Idee zu seinem Buch kam Christian auf der Designschule, als er mit seinen Klassenkameraden beim Verlegen eines Stück Holzes über dessen Form diskutierte: War es quadratisch oder rechteckig?
Selbst unter Designern können einfache visuelle Elemente völlig unterschiedlich wahrgenommen werden. Christian erkannte eine Gelegenheit, Menschen beim Trainieren ihrer Augen zu unterstützen. Er konzipierte Zirkeltraining für die Augen als eine Reihe von Übungen, die auf verschiedene Designattribute ausgerichtet sind: Farben, Formen, Linien und Schriften.
Gerne beobachtet er, wie sich Menschen auf die Übungen einlassen. Dabei hat er festgestellt, dass jeder ein bisschen anders ist. „Manche kommen wunderbar mit Typografie zurecht, haben jedoch Schwierigkeiten mit Farben, so wie ich“, erklärt er.
Interessanterweise werden beim Betrachten von Schriften ähnliche Teile unseres Gehirns aktiviert wie beim Betrachten von Gesichtern. „Wir versuchen, die Form der Buchstaben zu lesen“, so Christian weiter. „Dabei assoziieren wir damit bestimmte Vorstellungen – und das können wir trainieren.“
Probieren Sie eine der Übungen selbst!
Übung 1: Testen Sie Ihre Farbempfindlichkeit. Wie oft sehen Sie die Zahl 3 in dieser Liste mit 8en?
„Augen-Zirkeltraining für Designer” – Christian Büning
Übung 2: Wie steht es bei Ihnen mit Formen? Probieren Sie diesen Test aus: Wie viele dieser Formen sind echte Quadrate?
„Augen-Zirkeltraining für Designer” – Christian Büning
Übung 3: Wie viele dieser Wörter sind in der gleichen Schriftart geschrieben?
„Augen-Zirkeltraining für Designer” – Christian Büning
Über das Lernen von etwas Neuem
Christian ist überzeugt, dass Menschen am besten lernen, wenn sie mit dem Lerninhalt eine Geschichte verbinden können. „Wenn man etwas lernt, muss es einen Bezug zu einem selbst und zum eigenen Leben haben – sonst ist es einfach nur eine Information. [...] Das ist das klitzekleine Geheimnis.“
Über die Entwicklung des professionellen Designs
Die Designbranche hat in den letzten Jahrzehnten tiefgreifende Veränderungen durchgemacht – und Christian hat sie hautnah miterlebt. Als eine Mischung aus Gen-Xer und frühem Millennial erinnert er sich an die Zeit, als es in seiner Schule nur einen Computer gab (und anscheinend auch nur eine Person, die qualifiziert war, ihn zu benutzen). Heute sind Computeranwendungen für fast alle Designarbeiten unerlässlich.
Zu Christians Studienzeit war es eher ungewöhnlich, dass sich Designer nach ihrem Abschluss selbstständig machten. Er wollte das gerne tun, hatte jedoch Mühe, Informationen und Unterstützung bei der Gründung eines eigenen Designbüros zu finden. Dann nahm er die Dinge selbst in die Hand: Er erstellte seine eigene Kalkulationsmethode und präsentierte sie einer Gruppe von Kollegen. Viele von ihnen bedankten sich danach persönlich bei ihm.
Über die Veränderung der Wahrnehmung von Typografie
In Christians Kindheit und Jugend war die Typografie ein Nischengebiet und stand weniger im Mittelpunkt als heute. „Sie gehörte einfach nicht zum Alltag der Menschen. Natürlich hat jeder gelesen. Überall waren Buchstaben zu sehen, doch die Gestaltung von Buchstaben, also das Design und die Entstehung von Typografie, war nahezu unbekannt“, erklärt Christian.
Beim Schreiben seines Buches stellte er fest, dass unser Gehirn von verschiedenen Schriftarten unterschiedlich beeinflusst wird. „Wenn wir uns Typografie ansehen, werden bestimmte Bereiche des Gehirns aktiviert – und zwar die gleichen Bereiche, die wir zum Erkennen von Gesichtern benutzen. Das ist wirklich interessant, denn wir versuchen, die Form eines Buchstabens zu lesen, um ihn zu verstehen, und wir assoziieren etwas mit ihm, z. B. dass er warm aussieht, dass er gemütlich wirkt, dass er einladend erscheint.“
Es lässt sich nicht leugnen, dass verschiedene Schriften, Farben und Formen auf einer unterbewussten Ebene unterschiedliche mentale Reaktionen hervorrufen. Bei Christians Arbeit geht es darum, zu den fundamentalen Grundlagen des Designs zurückzukehren und unsere Reaktionen auf verschiedene visuelle Elemente zu erkennen.
Wie wird Typografie heute wahrgenommen? Christian sagt gerne: „Schrift ist zum Volkssport geworden.“ Die Menschen haben eine Beziehung zur Schrift entwickelt, wie sie Christian nicht vorhersehen konnte. „Selbst wenn die Menschen keine Worte für das haben, was in ihnen beim Betrachten von Typografie passiert, können sie etwas fühlen. Und das ist universell.“
Mehr von Christians Arbeiten finden Sie auf seiner Website. Das ganze Gespräch von Christian und Toby sehen Sie in dieser Folge von Extra Condensed.
Ein Exemplar von Christians Buch Zirkeltraining für die Augen erhalten Sie hier.
Schauen Sie sich jetzt das vollständige Extra Condensed-Interview mit Christian Büning an.